Aktiver-Urlaub / Völliges-Nichtstun

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Windjammer-Reisen: Seefahrt von Hand gemacht

Der Hessische Lloyd veranstaltet jährlich eine Windjammerreise, bei denen Seefahrt von Hand gemacht wird. Wer mitfährt, muss mit anfassen. Das hat mehr mit Sport als mit Arbeit zu tun. Es wird nicht auf „dicke Backe“ gemacht. Jede und jeder, wie sie und er kann.

Segel setzen
Segel setzen

Die Segel werden mit Muskelkraft gesetzt und eingeholt. Der Anker will über eine Tretmühle („Spill“) hochgezerrt werden. Das Schiff muss gesteuert werden. Zu Beginn muss die Ausrüstung aufs Schiff, am Schluss muss alles wieder runter gebracht werden. Doch: Wenn zwei, drei Dutzend Leute auf einem Großsegler zusammenkommen, muss nicht immer jeder ran und das Zeug ist trotzdem schnell erledigt. Niemand wird zu etwas genötigt. Es wird Rücksicht genommen. Wer nicht in der Takelage herum klettern will, der muss das nicht tun. Wer es ausprobieren will, wird Meter für Meter angeleitet – und natürlich angeleint. Und wer da oben mitspielen will, der darf hoch, die Segel zu bedienen – immer und nur mit Sicherheitsgurt.  

 

Easy Going

Es mischen sich Phasen von Aktivität und Nichtstun, von Abenteuer und Erholung. Reisende auf Windjammern gewöhnen sich sooo schnell an einen neuen Rhythmus. Der Tag hat 24 Stunden, davon mag man bequem zehn verschlafen, der Rest ist für Seefahrt, Essen, Trinken, Ruhe, Körperpflege, Schwimmen frei. Es gibt keine Einkäufe zu machen, keine Wäsche zu waschen, keinen Müll rauszutragen. Und: Wir sind offline. Nur in Küstennähe gibt es Netz, in Häfen gar WLan.

 

Ausruhen Ruhe ist die erste Seemannspflicht

 

Schnell stellen sich die Reisenden auf den Rhythmus des Bordlebens ein. Sie schlafen auch am Tage in ihrer dann sonst leeren Kabine. Lümmeln sich an Deck, reden, lesen, schweigen, klettern, lassen sich was Seemännisches beibringen oder auch nicht, freuen sich aufs nächste Essen oder nehmen eine Dusche (Süßwasser), basteln irgendwas mit dem Maschinisten oder einer Bootsfrau. Polstern sich ein Plätzchen in der Takelage oder legen sich ins Klüvernetz, von wo sie dem Bug zuschauen, wie er gleichförmig rauschend das Meer durchschneidet - Ein Platz, der von Deck kaum einsehbar ist, weil das Klüvernetz etwas tiefer hängt. Viele finden es spannend, von Kapitän, Steuerleuten und Maschinist Geschichten aus der Welt der Seefahrt zu hören. Und die Berufsseeleute finden es interessant, sich mit den Mitreisenden über deren Leben und Tun zu unterhalten. Was nicht heißt, dass man von sich erzählen muss. Manch einer kommt an Bord, ist mit dabei und schätzt es, endlich mal nichts von zu Hause mitnehmen zu müssen.

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Wer Wache hat, muss mit allem rechnen: Dem Kapitän fällt ein, dass es Zeit für ein Manöver sei. Irgendein Segel will verändert werden („trimmen“). Der Ausguck muss besetzt sein. Einem Nautiker ist nach Positionsbestimmung. Am Steuer ist Ablösung fällig.

 

Kletterübung in den Wanten

Kletterübung mit persönlicher Sicherung

 

Erhabene Gefühle und dumpfes Kartoffelschälen

Es ist ein durchaus erhabenes Gefühl, einen Großsegler von eigener Hand zu steuern. Das will gelernt sein. Es ist aber zu lernen. Gar nicht so schwer. „Ruder mitschiffs“ heißt nur, dass das Steuerblatt entlang der Schiffslinie ausgerichtet ist. Es heißt nicht, dass das Schiff geradeaus fährt. Da mag der Segeldruck vorn zu groß sein oder die Strömung in die falsche Richtung schieben. Und wenn sich ein Schiff erst mal dreht, dreht es gern weiter, auch wenn der Mensch am Steuer das gar nicht mehr will. Es fehlt dummerweise Traktion: Reibung von Reifen auf einer Straße. Da heißt es, mit Gefühl zu steuern und beizeiten gegenzusteuern, um die Schiffsbewegung abzufangen. Auch das Bremsen ist so ein Thema. Wenn dreihundert Tonnen erst mal in Schwung sind, ist es mühsam, sie aufzuhalten.

Der Koch braucht jeden Tag drei Leute in der Küche. Jeder und jede kommt mal dran. Den Abwasch nach dem Abendessen und Kombüseputzen erledigt der Schiffsjunge. Tagsüber ist er für „Rein- Schiff“ zuständig.

Wer in das Handwerk der Seefahrt hereinschauen will, findet bei den Nautikern und Technikern geduldige Gesprächspartner. Regelmäßig werden Knotenkurse abgehalten, man plaudert über Segeltechnik, der Maschinist zeigt Interessenten in versteckten Winkeln die tollsten Aggregate.

Jedermann und jede Frau kann beim Hessischen Lloyd mitfahren. Es müssen Erwachsene sein – das Mindestalter ist 18 Jahre, nach oben gibt es keine Begrenzung. Der Altersrekord liegt derzeit bei 82 Jahren.